Vor dem Hintergrund der Bundestagswahlen, der Juniorwahl an der CDS und der derzeit geforderten verstärkten ,,Demokratiebildung“ in Schulen fanden auch in diesem Frühjahr wieder Zeitzeugeninterviews mit Holger Timmreck statt. Timmreck ist zertifizierter Zeitzeuge der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur und lebt und arbeitet derzeit in der südlichsten Stadt der Welt, Ushuaia, in Argentinien. Die diesjährigen Online-Gespräche mit ihm führten Klassen in Tettnang und in Friedrichshafen durch, so etwa die H2HF3, 3BKM3, 2BFE1 und die 2BFE2.
Timmreck berichtet per Videostream in einem Mix aus Vortrag, Film und Frage-Antwort-Gespräch von seiner Kindheit und Jugend in der SED-Diktatur. Er erzählt, warum und wie er fast mit seinem Leben für einen Fluchtversuch bezahlt hat, schildert seinen Gefängnisaufenthalt und wie sich ein junger Mensch fühlt, der von Freiheit und Selbstverwirklichung träumt, aber plötzlich in einem Alptraum erwacht, nämlich als politischer Häftling in einer Zelle eingesperrt, zusammen mit Mördern und Räubern. Die Schülerinnen und Schüler erfahren aber auch vom Neubeginn in der BRD ohne Familie und Freunde, nachdem der Westen Timmreck freigekauft hatte. Die Message immer wieder: ,,Sei beharrlich. Bleib dran, nur dann kannst Du es schaffen, selbst die schlimmsten Widrigkeiten vielleicht irgendwann zu überwinden.“
Timmrecks Geschichte zeigt auch, wie ironisch Biographien verlaufen können: Das DDR-Regime verbot ihm einst, Sport- und Geschichtslehrer zu werden, weswegen er fliehen wollte. Die West-BRD ermöglichte ihm später nicht nur sein Traumstudium, sondern auch, dass er eine Fernsehkarriere als Sportreporte im ,,kapitalistischen Westfernsehen“ machen konnte. Mit seiner heutigen Tätigkeit als Reisender und Zeitzeuge will Timmreck seinen Zuhörern einschärfen, wie wertvoll ein Leben in Freiheit und Demokratie inzwischen ist und dass wir dies oft für ganz selbstverständlich halten. Einige Sätze von ihm sind den Schülern besonders im Gedächtnis geblieben: ,,Demokratie gibt’s nicht im App-Store. Man muss etwas dafür tun. Freiheit ist mehr als ein Wort. Sie erfordert persönlichen Mut und Einsatz von jedem, sonst geht sie verloren.“
M. Buchwald
